Map Search

Finden Sie die für Sie
relevanten Angebote.

25.03.2022 | Blog

Das beste Entlastungspaket: Kommunales Mobilitätsmanagement

Als Reaktion auf die aktuell hohen Energiekosten hat die Bundesregierung ein zweites Entlastungspaket beschlossen: Insbesondere sind Entlastungen im Mobilitätssektor vorgesehen. Ich will hier nicht auf die Sinnhaftigkeit einzelner Maßnahmen unter den Gesichtspunkten der Kostengerechtigkeit und ihrer Auswirkungen auf den Klimaschutz eingehen. Es ist ein typischer politischer Kompromiss, mit dem alle drei Koalitionspartner ihre Klientel zufrieden stellen können.
Doch ein wirklich dauerhaftes Entlastungspaket für die Menschen ist die Mobilitätswende. Daher ist die Einführung eines Kommunalen Mobilitätsmanagements nicht nur eine wünschenswerte Option, sondern ein zukunftsweisendes und wirksames Instrument der Verkehrsplanung und der Verkehrspolitik.

Freiheit und Fortbewegung hängen zusammen
In der Außendarstellung des Entlastungspakets wird die Nutzung des ÖPNV als Beitrag zur Energieeinsparung und zur Unabhängigkeit von der Energieversorgung postuliert. Analog zu der Erkenntnis unseres Bundesfinanzministers, dass regenerative Energien „Freiheitsenergien“ sind, liegt der Schluss nahe, dass das Gehen, das Radfahren sowie Bus- und Bahnfahren die Fortbewegungsarten der Freiheit sind. Dieses Bild wurde interessanterweise jüngst auch in anderem Kontext schon genutzt: Die Begründung für das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Verschärfung der Klimagesetzgebung der Bundesregierung bezog sich ebenfalls darauf, dass die Mobilitätswende Freiheitsrechte schützt. Denn wenn wir im Bereich des Klimaschutzes nicht zeitnah handeln, schränken wir die Freiheitsrechte unserer Kinder und Enkel ein. Und das, so der Schluss des Gerichts, ist verfassungswidrig.

Ziele ohne passende Maßnahmen sind wirkungslos
Allerdings ist versäumt worden, neben den Zielformulierungen für die Mobilitätswende auch die dazu notwendigen Strategien und Maßnahmen umzusetzen. Denn Ziele sind noch keine Handlungen.
Die geplante Einführung des 9-Euro-Tickets zeigt die Versäumnisse der letzten Jahre auf. Es wird suggeriert, dass die Verbilligung der Tickets der Schlüssel zur ÖPNV-Nutzung darstellt. Was aber bislang fehlt, sind der politische Wille und die Bereitstellung von Finanzmitteln für die Erweiterung des ÖPNV-Angebots.

Die krisenreiche Zeit verunsichert uns alle, das ist deutlich spürbar. Viele Menschen sprechen von einer Zeitenwende. Klimakrise, Pandemie, Energiekrise und der Krieg in der Ukraine drängen uns aus unserer Komfortzone und machen uns Angst. Und es rächt sich, dass nicht offen politisch darüber gesprochen wird, welche Einschränkungen diese Zeitenwende für unsere Lebensweise konkret bedeutet – die Mobilitätswende eingeschlossen. Die Mobilitätswende bedeutet Veränderung. Und diese Veränderung heißt nicht: „Macht weiter so“.

Auch das Entlastungspaket suggeriert durch die Senkung der hohen Energiekosten: Macht weiter so, wir sorgen dafür, dass Veränderung Euch nichts kostet. Doch zur Zeitenwende gehört auch, dass wir unser Verhalten in vielen Bereichen ändern müssen. Der aktuelle Bericht des Weltklimarats ist düster und wiederholt erneut den Handlungsbedarf, um die Klimakatastrophe noch abwenden zu können.

Viel geredet, wenig passiert
Obwohl wir in den letzten Jahren immer wieder über die Notwendigkeit des Klimaschutzes, der Energieabhängigkeit und der Dekarbonisierung gesprochen haben und auch viele Ziele formuliert worden sind, ist in der Umsetzung wenig passiert. Das rächt sich jetzt. Es zeigt sich auch: Aussitzen funktioniert nicht. Das wird teuer und führt zu gesellschaftlichen Verwerfungen. Aber wie gehen wir diese Veränderungen dann an? Die Mobilitätswende bedeutet nicht, beim Auto den Antrieb zu wechseln. Fuß- und Radverkehr, Bus und Bahn sowie Sharing-Ssysteme müssen konsequent ausgebaut werden – das ist die Mobilitätswende. Und das heißt auch, die Bevorzugung des Autoverkehrs abzubauen. Wir haben diese Werkzeuge für die Mobilitätswende bereits. Dazu ist es aber notwendig, die richtigen Fragen zu stellen. Ist es richtig zu fragen, wie wir es schaffen, bis zum Ende des Jahrzehnts Verkehr klimaneutral zu gestalten? Oder ist es zielführender, die Frage zu stellen, wie sich Menschen von A nach B klimaneutral bewegen können? Und ist es richtig, sich in erster Linie auf den Pendler*innenverkehr beziehungsweise den Berufsverkehr zu konzentrieren? Vielmehr gilt es auch, die Alltagswege von Kindern, älteren Menschen und Menschen, die für die Care-Arbeit zuständig sind, in den Blick zu nehmen.

Eine andere wichtige Frage ist: Mit welchen Instrumenten unterstützen wir autounabhängige Lebensstile? Und damit meine ich nicht nur die sozial-ökologischen Milieus, die sich kein Auto leisten wollen. Sondern gerade Menschen, die sich kein Auto leisten können. 23 Prozent der deutschen Haushalte verfügen über kein Auto.

Gemeinsam Alternativen schaffen
Lassen Sie uns handeln, um dauerhaft attraktive Alternativen zur Auto-Nutzung zu schaffen. Machen wir die Verantwortung für ein nachhaltiges Mobilitätsverhalten zur gemeinwohlorientierten Aufgabe der Kommune, anstatt sie der individuellen Entscheidung eines jeden einzelnen zu überlassen. Wir haben die Handlungsoptionen. Die Koordinierungsstellen des Zukunftsnetz Mobilität NRW unterstützen Sie sehr gerne dabei, von den Zielen zu den Maßnahmen zu kommen.

Tempolimit sollte kein Tabu sein
Das Ziel des Entlastungspakets ist es, die Energiekosten zu senken und Energie einzusparen. Es ist nicht nachvollziehbar, wieso unter dieser Zielsetzung die Einführung des Tempolimits noch immer ein Tabu ist. Die Tempo-30-Initiative ,die der Deutsche Städtetag unterstützt, zeigt, dass viele Kommunen besonders im Innerortsverkehr die Möglichkeit nutzen wollen, Tempo 30 flächendeckend einzuführen. Auch in unserer Region schließen sich dieser Initiative immer mehr Kommunen an. Gerne stellen wir unseren Mitgliedskommunen dazu Musteranträge zur Verfügung.

Wir können die Menschen bei den Mobilitätskosten entlasten und gleichzeitig den Energieverbrauch senken, indem wir die Verkehrsmittel des Umweltverbunds ausbauen. Und die Verlagerungspotenziale sind da. Die Hälfte aller Wege unter fünf Kilometer werden mit dem Auto zurückgelegt und sogar ein Viertel aller Wege unter zwei Kilometer. Diese Distanzen können per Fahrrad oder zu Fuß meist schneller, in jedem Fall aber einfacher, billiger und ökologischer zurückgelegt werden.

Klare Zielvorgabe
Damit dies aber vor Ort auch umgesetzt wird, braucht es eine klare kommunalpolitische Zielvorgabe, eine handlungsstarke Verwaltung und eine Kommunikationsstrategie, die die Vorteile der Mobilitätswende herausstellt und so die Menschen mitnimmt. Der Ansatz des Kommunalen Mobilitätsmanagements schafft diese strukturellen Voraussetzungen für die Mobilitätswende. Insbesondere die Zusammenarbeit zwischen Kommunalpolitik und Kommunalverwaltung gilt es auf eine partnerschaftliche Basis zu stellen. Unsere Koordinierungsstellen unterstützen Sie gerne mit verschiedenen Angeboten für die Umsetzung vor Ort bei diesem Transformationsprozess.

Verkehrsverhalten steuern
Die Mobilitätswende erfordert auch einen neuen Blick auf das Verkehrsgeschehen. Bisher richtet sich der Blick der Verkehrsplanung auf das Geschehen auf den Verkehrswegen. Richten wir den Blick auf die Mobilitätsbedürfnisse der Menschen und die Ursachen der Entstehung der Verkehre. Das zentrale Element des Mobilitätsmanagements ist die Beeinflussung des Mobilitätsverhaltens. Hierbei spielen sowohl das Angebot als auch die individuellen Einstellungen eine Rolle. Die Forschungsgesellschaft für Straßen und Verkehrswesen empfiehlt, das Mobilitätsmanagement neben der Verkehrsinfrastrukturplanung und dem Verkehrsmanagement als dritte Säule in die kommunale Verkehrsplanung zu integrieren.

Mobilitätsmanagement schafft neue Mobilitätsroutinen. Mit Betrieblichem Mobilitätsmanagement schaffen Sie zum Beispiel dabei einen wichtigen Standvorteil für die einheimische Wirtschaft. Ich freue mich sehr, dass die IHK in NRW hier unser Kooperationspartner sind. Mit Schulischem Mobilitätsmanagement können Sie viel für die selbständige und sichere Mobilität unserer Kinder erreichen. Ein wesentliches Zeichen des Gelingens der Mobilitätswende ist es, wenn Kinder wieder im öffentlichen Raum Platz finden. Mit Mobilstationen im Quartier schaffen Sie Angebote vor Ort, die zu einem nachhaltigen Mobilitätsverhalten einladen.

Zur Wahrheit gehört aber auch: Ohne Push-Maßnahmen geht es nicht. Der Ausbau der Verkehrsmittel des Umweltverbunds allein reicht nicht aus. Wenn wir das durch die Verkehrsministerkonferenz vorgegebene Ziel der Verdopplung der Fahrgastzahlen bis Ende des Jahrzehnts erreichen wollen, dann müssen wir auch die Privilegien des Autoverkehrs abbauen. Dazu gibt es verschiedene Instrumente, die dann auch zum Beispiel zur Finanzierung des Ausbaus des ÖPNV genutzt werden können. Stichwort: Nutznießerfinanzierung. Aktuell bietet sich hierzu auch die Erhöhung der Ausgabe von Anwohnerparkausweisen an. In dem Hinweispapier, das wir gemeinsam mit den kommunalen Spitzenverbänden und der Arbeitsgemeinschaft fußgänger- und fahrradfreundlicher Städte, Gemeinden und Kreise (AGFS) ausgearbeitet haben, geben wir dazu praktische Umsetzungshilfen.

Vorteile der Mobilitätswende erleben 
Die Menschen müssen bei dem Transformationsprozess mitgenommen werden. Es gilt, die Attraktivität der Lösungen herauszustellen. Unsere Stadtmöbel bieten die Gelegenheit, in den Kommunen die Nutzung der öffentlichen Räume als Kommunikationsorte erlebbar zu machen. Unser Kommunikationsseminar bietet den Kommunen die Möglichkeit, eine positive Erzählung für die Mobilitätwende zu schaffen. Die jährliche Europäische Mobilitätswoche im September bietet auch dieses Jahr wieder die Möglichkeit, die Mobilitätswende als Gewinnerthema zu präsentieren. Wir unterstützen unsere Mitgliedskommunen bei der Konzeption und Durchführung.

Wir brauchen die Mobilitätswende dringlicher denn je. Die Kommunen, die sich hier frühzeitig aufstellen, erhöhen ihre Lebensqualität. Die Logik ist: Jede Kommune trägt Verantwortung und wer die Mobilitätswende mit Entschlossenheit angeht, wird davon profieren. Mit unseren verschiedenen Angeboten zum Mobilitätsmanagement unterstützen wir die Kommunen sehr gerne.
Es ist zu hoffen, dass die Kommunen jetzt auch von Bundes- und Landesseite mit langfristigen Programmen und Fördermaßnahmen bei der Mobilitätswende unterstützt werden sowie die Bevorzugung des Autoverkehrs im Ordnungs-, Verkehrs- und Finanzrecht beendet wird. Es kann nicht sein, dass immer erst eine akute Krise kommen muss, bevor endlich entschlossen gehandelt wird.

Theo Jansen

Autor

Theo Jansen

Theo Jansen ist Leiter der Geschäftsstelle des Zukunftnetz Mobilität NRW. 


Weitere Beiträge

25.04.2024 | Aktuelles

Mobilitätsschub für Ostwestfalen-Lippe: Innovative Förderung nachhaltiger Mobilität

Rund um das Thema nachhaltige Mobilität gibt es zahlreiche Förderprogramme, von denen Kommunen auf dem Weg zur Mobilitätswende profitieren. Um den Überblick über die Vielzahl der Unterstützungsangebote zu behalten, lud die Bezirksregierung zur Informationsveranstaltung nach Detmold ein – und erhielt tatkräftige Unterstützung vom Zukunftsnetz Mobilität NRW.

Weiterlesen

24.04.2024 | Blog

Volker Wissing und der Klimaschutz

Auch wenn auf Bundesebene die Verpflichtung zur Reduzierung von Treibhausgasen im Verkehr unverbindlicher wird, sind damit nicht die ökologischen und ökonomischen Probleme einer zukunftsfähigen Mobilitätsentwicklung gelöst. Im Gegenteil, sie werden verstärkt. Die schlimmsten Folgen sind nur zu vermeiden, wenn wir umgehend aufhören Öl, Gas und Kohle zu verbrennen. Darum geht es in unserem aktuellen Blog.

Weiterlesen

22.04.2024 | Aktuelles

Neue Podcastfolge: Das Land kann Carsharing

Dort, wo die Wege lang und der ÖPNV grobmaschig ist, kann Carsharing Lücken schließen und neue Wegeketten aufbauen. Bei einer Rundfahrt mit dem Carsharing-Auto teilt die Mobilitätsmanagerin der Stadt Euskirchen in unserer achten Podcastfolge von "Neues Bewegen" die Erfahrungen, die sie beim Aufbau eines Carsharings gesammelt hat.

Weiterlesen