18.07.2024 | Blog
Funktioniert Carsharing im ländlichen Raum? Wir haben es ausprobiert.
Autos zu teilen, kann einen wesentlichen Beitrag zur Mobilitätswende leisten – denn es spart Platz sowie Fahrten mit dem Motorisierten Individualverkehr (MIV) Fahrten ein und reduziert damit auch Emissionen. Die zentrale Rolle von Carsharing bei der Umsetzung einer nachhaltigen Mobilitätsplanung zeigt auch die Erfahrung aus Ballungsräumen.
Nicht nur in Klein- und Mittelstädten, sondern auch in ländlichen Gemeinden gibt es mittlerweile vereinzelt Carsharing-Angebote. Eine Evaluation des Carsharing-Gesetzes für die Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) und das Bundesministerium für Digitales und Verkehr mit den dort durchgeführten Befragungen und Expert*innengesprächen zeigte, dass für ein fehlendes Angebot im Wesentlichen mehrere Gründe verantwortlich sind. In kleinen Städten und ländlichen Gemeinden sind die Nutzungsbereitschaft und das Nachfragepotenzial zu gering. Gleichzheitig ist Carsharing als Alternative zum privaten Pkw dort besonders attraktiv, wo Parkflächen knapp und bewirtschaftet sind. Für die Etablierung eines Carsharings sind also eine Verknüpfung und eine Ergänzung zum bestehenden ÖPNV-Angebot sowie eine Integration in ein kommunales Mobilitätskonzept sinnvoll.
So oder so sind Kommunen die zentralen Akteurinnen, wenn es um die Umsetzung und Steuerung der Mobilitätswende geht. Dies erfordert allerdings prozessuale Strukturen in der Verwaltung und der Politik – auch beim Carsharing.
Projektdesign
Funktioniert Carsharing im ländlichen Raum? Das haben wir zwischen 2021 und 2023 ausprobiert und Kommunen und kommunale Zusammenschlüsse in NRW beim Aufbau von Carsharingsystemen unterstützt. Das Projekt „Teil.Land.NRW – Carsharing in der Fläche“ bestand aus einem Beratungsprozess, der Entwicklung von Kommunikationsmaßnahmen sowie einer begleitenden Prozess- und Wirkungsevaluation.
Im Zuge des Projekts sind folgende Kommunen und Zusammenschlüsse ausgewählt worden:
- Kreis Höxter
- Rietberg
- Sendenhorst, Everswinkel. Ahlen, Beckum, Oelde, Beelen (Kreis Warendorf)
- Hochsauerlandkreis
- Meerbusch
- Lohmar
- Engelskirchen, Lindlar, Marienheide, Radevormwald, Wipperfürth (Oberbergischer Kreis)
- Euskirchen
In den Projektkommunen waren die Ausgangslage, die bisherige Entwicklungs- und die Umsetzungsstufen des Carsharings sehr unterschiedlich. Auch die Oberziele der Kommunen und die Erwartungen an die Beratungen differierten.
Im Vordergrund des Projekts stand nicht die Förderung eines bestehenden Carsharingkonzepts durch die Bewilligung von finanziellen Mitteln, etwa für die Anschaffung von Fahrzeugen oder die Ertüchtigung einer (Lade-)Infrastruktur. Vielmehr ging es darum, die beteiligten Kommunen im kompletten Prozess zu unterstützen: Von der der Carsharing-Idee über die Planung bis zur Umsetzung des Angebots.
Zentrale Erkenntnisse und Handlungsempfehlungen
Der zentrale Erfolg in den geförderten Kommunen liegt vor allem darin, dass mit Ausnahme eines geförderten Projekts alle Kommunen einen deutlichen, wahrnehmbaren Sprung in eine Konzeptions- und Entwicklungsphase genommen haben. Zwei Kommunen haben am Ende des Projektzeitraums sogar ein Carsharingangebot aufgebaut und errichtet.
Überzeugungsarbeit notwendig
Daneben wurden zahlreiche weitere Projektziele erreicht. Vor allem die Identifizierung potenzieller Nutzendengruppen, die Erfassung und Abfrage der tatsächlichen Bedarfe im Projektverlauf, die Auswahl geeigneter Standorte für ein Carsharingangebot, die Sensibilisierung von Verwaltung und zum Teil der Politik für das Thema Carsharing. Zudem konnten die Erstellung von Leistungsbeschreibungen und Ausformulierung von Ausschreibungsunterlagen, eine aktive Ansprache potenzieller Kund*innen sowie Marketing-Aktivitäten und Kommunikationsmaßnahmen erarbeitet, umgesetzt und ergriffen werden.
Eine erfolgreiche Beteiligung der Zivilgesellschaften, von Nachbarschaften, Vereinen und lokalen Wirtschaftsunternehmen ist nur in geringem Umfang gelungen. Teilweise wurden die Planungen aufgegeben, zum Teil werden die Ziele nach Ende der Beratungs- und Unterstützungsleistungen weiterverfolgt. Dies ist auch teilweise der frühen Phase, in der sich die Projekte befunden haben (Entwicklungs-, Konzeptionsphase) und während derer zunächst andere Schwerpunkte gesetzt worden sind, geschuldet.
Bekanntheitsgrad stärken
Um den Bekanntheitsgrad von Carsharingangeboten zu stärken, spielen die Öffentlichkeitsarbeit, intensive Werbe- und Kommunikationsmaßnahmen (u.a. Flyer, Banner, örtliche Werbung, Internet) eine zentrale Rolle. Es zeigte sich, dass gerade bei der Frage der Gewinnung der Bürgerschaft als Fahrgästen sowie bei der Einbindung von Wirtschaftsunternehmen als lokale Anker-Kundschaft ein Konzept zur Ansprache dieser Gruppen direkt zur Erstellung des Carsharingkonzepts mit entwickelt werden sollte. Nach Aufbau eines Carsharingangebots vor Ort sollte das Angebot erfahrbar gemacht werden. Ferner können Patenschaften für Carsharingfahrzeuge eine sinnnvolle Möglichkeit der Multiplikatio sein.
Projekt als innovativer Ansatz
Mit dem Landeswettbewerb „Teil.Land.NRW – Carsharing in der Fläche“ wurde ein neuer Impuls in der Förderarchitektur gesetzt. Das Förderprogramm bietet einen neuen und innovativen Ansatz sowie einen Mehrwert in der Förderkulisse des Landes, der sich durch den "Einkauf" von Beratungsleistungen auszeichnet. Damit wird niederschwellig vorhandenes und fundiertes externes Wissen zum Carsharing schnell und mit weniger organisatorischem und administrativem Aufwand (im Vergleich zu einem Förderantrag mit Beteiligung externer Berater) für die Kommunen verfügbar gemacht.
Es braucht das Kommunale Mobilitätsmanagement
Im gesamten Prozess der Konzeptentwicklung und Umsetzung wurde in den Kommunen die Bedeutung und Rolle des kommunalen Mobilitätsmanagers und der kommunalen Mobilitätsmanagerin für den erfolgreichen Aufbau eines Carsharingangebots deutlich. Für die kontinuierliche Bearbeitung des Themas und die erfolgreiche Umsetzung ist ein*e „Kümmerer*in“ vor Ort sehr hilfreich. Diese Funktion kann ein*e kommunale*r Mobilitätsmanager*in mit entsprechenden Ressourcen zur Koordinierung, Abstimmung und Gestaltung der notwendigen Prozesse übernehmen. Auch kann die Bedeutung des Themas Carsharing – auch als wichtiger Teil des Kommunalen Mobilitätsmanagements – dadurch stärker in den kommunalen Fokus gerückt werden.
Rückschlüsse für die Arbeit des Zukunftsnetz Mobilität NRW
Wir sind Ihre Ansprechpartner*innen bei fachlichen sowie inhaltlichen Fragen und bei Fragen zur Einbindung des Themas in das Kommunale Mobilitätsmanagement. Die Beratungen, die wir während des Projekts durchgeführt haben, halten wir aufrecht. Unsere Kolleg*innen aus dem Themenfeld „Vernetzte Mobilität und Carsharing“ stehen Ihnen weiterhin zur Verfügung und bringen die Erfahrungswerte aus dem Projekt „Teil.Land.NRW“ in ihre Beratung mit ein.

Christoph Overs
Autor
Christoph Overs leitet die Koordinierngsstelle Rheinland und die Geschäftsstelle des Zukunftnetz Mobilität NRW.
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